Schnittmuster-Basics mit Verwandlungspotential

Es gibt Hobbyschneider und Hobbyschneiderinnen, die zum Zuschneiden ihres Nähprojekts nur den Stoff und eine gute Schere brauchen. Zu diesem Freihand-Zuschneiden hat eine Teilnehmerin der Great British Sewing Bee sogar ein Buch geschrieben. „Freehand Fashion. Die perfekte Kleidung nähen – ganz ohne Schnittmuster“ von Chinelo Bally erschien 2017 auch in der deutschen Übersetzung. Seitdem folgten noch ein paar weitere Buchtitel, die alle zum Thema hatten, wie man sich als Hobbynäherin die Schnittmuster sparen kann.

Chinelo Bally
Rosie Martin
makerist

Ich habe das bisher noch nicht ausprobiert. Zumindest kein komplettes Nähprojekt frei Hand zuzuschneiden. Hin und wieder weiche ich bei einem Schnittmuster schon ziemlich von der Form ab. Oder ich schneide ein Teil, das im Grunde nur ein Rechteck ist, auch nur nach Augenmaß zu. Und hin und wieder nehme ich eben das, was der Stoff gerade noch hergibt.

Meist nutze ich jedoch Schnittmuster und da habe ich in den Jahren, die ich jetzt schon nähe, eine Sammlung angelegt. Viele meiner Lieblingsschnittmuster sind aus Zeitschriften, hin und wieder auch aus Büchern, die ich mir in der Hamburger Bücherhalle ausleihen konnte. Oft stöbere ich aber auch im weltweiten Netz und finde kostenlose PDF-Schnittmuster zum Download. Weil ich denke, dass es für andere interessant sein kann, möchte ich mal zusammenfassen, welche kostenlosen Schnittmuster dabei für mich zu echten Basics geworden sind.

Lieblingsschnitt für ein Oberteil mit Ärmel

Im ersten Buch, das die erste Staffel der VOX-Sendung „Geschickt eingefädelt“ begleitet hat, gibt es ein Schnittmuster für eine Bluse mit Bubikragen. Nicht zu verwechseln mit der Bluse mit Bubikragen aus dem Buch zur 2. Staffel!

Drei Blusenshirts, alle nach dem selben Schnittmuster genäht, nebeneinandergelegt.

Die Bluse aus dem ersten Buch ist nämlich der perfekte Grundschnitt für ein Oberteil mit Ärmel. Ich habe es schon rauf und runter genäht. Nicht nur aus Webware für Blusen, sondern auch als T-Shirt aus Baumwolljersey. Der Armausschnitt sitzt bei mir perfekt, wenn ich diesen ohne Nahtzugabe zuschneide und unter der Achsel etwas dazugebe. Das habe ich bei den vielen Versionen, die ich nach dem für mich kostenlosen Schnittmuster nähte, schon angepasst.

Für mich ist dieser Schnitt sozusagen meine Variante des „Scout Tee“ von Grainline Studio. Wer eine ausführliche Nähanleitung benötigt und mit einer englischen Anleitung klar kommt, dem empfehle ich auf jeden Fall den Schnitt von Grainline.

Die damals kostenlosen Downloads aus dem Buch von „Geschickt eingefädelt“ findet man nicht mehr im Internet. Zumindest meine Recherche im deutschsprachigen Web hat kein Ergebnis gebracht. Ich bin aber ziemlich sicher, dass sich hinter dem Link für die „GBSB Blouse with Collar“ auf der Seite des Quadrille Verlags (Herausgeber des Original Buchs der britischen Originalsendung) mein Lieblingsschnitt für ein Oberteil mit Ärmel verbirgt.

Hier müsste man mit etwas Rechercheaufwand auch herausfinden können, welche Größe zu wählen ist. Und natürlich bedenken, dass in englischsprachigen Schnittmustern meist die Nahtzugabe schon im Schnittteil enthalten ist!

Schnittmuster-Basic für ein Oberteil mit Kragen

Zugegeben mein Lieblingsschnitt für eine ärmellose Bluse mit Kragen ist kein kostenloser Download gewesen, aber ich habe damals die Zeitschrift kostenlos bei der Arbeit mitnehmen können. Und da die Zeitschrift bei einer Vielzahl an Bestellungen eines großen Online-Stoffhändlers beigelegt wurde, bin ich sicher, dass auch einige von euch die Ausgabe der Fait Main irgendwo rumliegen haben.

Eine Schnittmusterzeitschrift aus Frankreich, aus der ich viele ärmellose Blusen und Kleider genäht habe.

Ansonsten hier eine große Empfehlung für das französischsprachige Schnittmustermagazin „Fait Main„. Sicherlich kann man es in den Kiosken oder am Bahnhof in Frankreich finden. Und vielleicht ja auch auf Ebay oder über andere Annoncen. So wie es aussieht, kann man auf der Webseite der Zeitschrift auch vergangene Ausgaben bestellen. Meine Empfehlung wäre da dann die Ausgabe April 2014 in der das Schnittmuster für eine ärmellose Bluse mit Kragen enthalten ist.

Wer hier neben dem Schnittmuster doch wert auf eine ausführliche Anleitung legt, für den ist das „Alder Shirtdress“ von Grainline Studio perfekt. Es ist vom Look sehr dem ähnlich, was ich nach dem Schnitt aus der Zeitschrift „gebastelt“ habe.

Ein Einblick in die "Fait Main" von April 2014 mt dem Schnittmuster für eine ärmellose Bluse.

Und wem das zu viel Englisch ist, dem empfehle ich das Blusenschnittmuster Cocoon vom Schnittduett. Dieses hat eine super Anleitung und es gibt dazu auch einen sehr hilfreichen Sew-Along inklusive Videos.

Grundschnitt für eine Hose

Was braucht man in der Garderobe neben einem Oberteil? Ganz klar, eine gut sitzende Hose. Und was ist bei einer Hose das ganz entscheidende Kriterium für die Passform? Richtig, die Schrittkurve!

So unscheinbar dieser Teil eines Schnittmusters aussieht, die Schrittkurve, also das, was bei einer Hose den Schritt bildet und von dem man denkt, dass es doch nicht so wichtig sein kann, ist für mich der Dreh- und Angelpunkt, um eine gut sitzende Hose zu schneidern.

Drei Schnittmuster aus Papier für ein Hosenbein, Detail für die Schrittkurve

Die Länge und die Form der Rundung können so viele Passformprobleme der Hose lösen! Für Passform bin ich nicht der Top-Experte, da hat sich aber Meike von crafteln sehr intensiv mit befasst und so empfehle ich hier auch gern ihren Podcast und natürlich auch ihre Webseite für alle, die gern noch tiefer in den Schritt eingreifen möchten.

Ich habe drei Schnittmuster gefunden, die für mich die perfekte Schrittkurve bieten. Zwei davon sind aus der fashion style, ein Schnitt ist ein kostenloser Download des Peppermint Mags. Dieses Hosenmodell ist gleichzeitig meine Basis, um die sehr beliebte Persephone Pants von AnnaEllen Patterns nachzukonstruieren. Wem das jetzt nichts sagt ( der ist noch kein Nähnerd 😉 ), die Persephone Pants ist eine Hose ohne Seitennaht außen, meist in 7/8 Länge genäht. Und ich habe einfach mal probiert was passiert, wenn man die Schnitteile eines weiten Hosenbeins an der Seitennaht übereinander legt und dann den Teil der Hüftkurve in den Abnäher hinten einberechnet und für mich klappt das wunderbar. Manchmal muss man bei Schnitten einfach nur mutig sein und eine Abwandlung durchdenken und dann ausprobieren. Ist ja keine OP am offenen Herzen.

Mein Basic-Schnitt für einen Rock

Neben einer Hose ist auch ein Rock ein echter Grundbaustein einer vielseitigen Garderobe. Manche Stoffe haben von sich aus schon so einen schönen Fall, dass man meiner Meinung nach gar keinen Schnitt braucht. Ein Rechteck mit Tunnelzug in der Taille ist da schon eine gute Basis, um aus dem weichfallenden Stoff einen schwingenden Rock zu kreieren. Bei meinen Maßen (113-90-115) passt oft die Stoffbreite (ca. 140 bis 150 cm) für eine gute Taillenweite und ein ausgewogenes Verhältnis zum Raffen durch das Gummiband. Mal nähe ich einen Tunnelzug in den ich dann ein oder mehrere Gummibänder einziehe, ich habe aber auch schon ein schön gemustertes Gummiband verwendet, das ich gedehnt an den Stoff annähe.

Neben einem weit schwingenden Rock ist auch ein schmaler, figurnaher Rock ein Basic, was sich in meiner selbstgenähten Garderobe in mehreren Versionen findet. Ich nutze dafür immer einen sehr alten, aus einer Burda kopierten, Schnitt, dem ich inzwischen nur ein paar Zentimeter mehr am Stoffbruch zugebe. Der Schnitt ist aber im Grunde einfach nur ein klassischer Grundschnitt mit Abnäher vorne und hinten. So ein Modell gibt es auch kostenlos aus dem „Geschickt eingefädelt“ Buch, zum Beispiel hier als kostenloser Download.

Ich muss sagen, dass ich die Schnitte aus dem Buch zur ersten Staffel wirklich sehr empfehlen kann. Da lohnt es sich das Buch mal aus der Bücherei auszuleihen, oder ggf. auch zu kaufen, wenn man doch gern die Anleitungen dazu hätte. Leider scheint es das Buch nicht mehr in „neu“ zu geben, aber bei einigen Händlern findet sich sicherlich noch das ein oder andere (gebrauchte) Exemplar. Online kann ich euch da medimops empfehlen. Dort findet man immer noch mal ein Exemplar in gutem bis sehr-gutem gebrauchten Zustand.

Was haltet ihr eigentlich davon, wenn ich zu den kostenlosen Schnitten, die ich immer wieder benutze, einfach mal beim Nähen etwas mitfotografiere und euch dann dazu einen Blogbeitrag mit Anleitung schreibe?

Schnittmuster-Basics für eine selbst zusammengestellte Garderobe

Ich befinde mich tatsächlich in einem kleinen Dilemma. In großem Maße bewundere ich die ganzen Indie-Schnittmusterfirmen für ihren Mut in dieser Branche selbstständig zu sein – und hätte gern selbst den Mut für ein eigenes Business. Da ich mich jedoch zu 100% selbst finanzieren muss, wird dieser Wunsch für mich wahrscheinlich in den nächsten Jahren weiter ein Traum bleiben, der immer mal wieder intensiver geträumt wird und dann doch erst mal in der Schublade meines Nachttisches liegt.

Ich lasse mich immer wieder durch die Indie-Szene inspirieren – genauso, wie ich auch gern High-End Designerkleidung anschaue und mir da gewissen Verarbeitungstechniken abschaue. So habe ich schon vor etlichen Jahren im Internet recherchiert, um die 2.55 von Chanel in Originalmaßen nachzunähen. Das war zu einer Zeit als es noch keine wirkliche Schnittmusterszene gab. Heute würde ich recherchieren und den Schnitt Skady von ki-ba-doo finden und dann sicherlich auch sehr dankbar über die Anleitung sein – da habe ich nämlich vor Jahren ziemlich rumtüfteln müssen.

Eine Tasche, deren Oberstoff gequiltet ist und die der Chanel 2.55 ähnelt.
Inzwischen ist die Tasche fast Vintage, habe sie nämlich vor ca. 18 Jahren genäht.

Aber auch dieses Tüfteln macht mir Spaß. Geometrie fand ich schon immer spannend. Schließlich habe ich dann sogar in meinem Studium die Grundlagen der Schnittkonstruktion in Vorlesungen gelernt. Wurde sogar darin am Ende eines Semesters geprüft. Darum fühle ich mich einerseits gut, wenn ich Schnittmuster von unabhängigen, kleinen Firmen kaufe oder eben hier empfehle. Andererseits denke ich auch immer „Wofür habe ich denn eigentlich studiert, wenn nicht, um es selbst zu können?“. Das ist mein Dilemma, einerseits mit genug Zeit die Konstruktion selbst zu können und andererseits auch zu wissen, nicht für jedes Bekleidungsstück ein neues Schnittmuster zu brauchen.

Jeder Schnitt basiert auf einem für die Zielgruppe konstruiertem Block und die Schnittmuster hier aus diesem Beitrag sind sozusagen die Blocks für meine individuelle, selbstgenähte Garderobe. Und vielleicht könnt ihr mit meinen Verlinkungen auch Gefallen an den Schnitten finden, die mir immer wieder als Vorlage für unterschiedliche Bekleidungsmodelle dienen.

Habt ihr noch andere Garderoben-Klassiker? Oder probiert ihr am liebsten immer wieder neue Schnittmuster aus?


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert