Die Entdeckung des Leseknochens – eine kleine DIY Historie

Über ihn ist fast jede:r Nähanfänger:in mal gestolpert – der Leseknochen. Seit Jahren ist das Leseknochen Nähen eine sehr beliebte Nähidee für Nähanfänger. Und ja, nicht jede:r kennt die Geschichte, wie die kostenlose Nähanleitung bei stoffe.de* zu einem der großen Traffic-Treiber des Onlineshops – und zu einem Klassiker in der Nähwelt – wurde.

Tatsächlich bin ich vermutlich eine der wenigen Personen, die überhaupt eine Geschichte draus machen können. Aber ja, um es direkt zu sagen – die Idee des Leseknochens stammt NICHT von mir! Ich maße mir nicht an diese Kreativität zu haben, um solch einen simplen Schnitt zu entwickeln, der zu einem so schnellen Näherfolg für Näheinsteiger führt.

Aber ich maße mir an, zu sagen, dass ich den Leseknochen entdeckt habe! Ich habe das Potential in dieser Nähanleitung gesehen. So, wie ich 2009 das Potential in Asaf Avidan gesehen habe und dann… „One Day, Baby, we’ll be old“.

Xmas Content gesucht – Leseknochen gefunden

2013 war ich im Sommer auf der Suche nach einer neuen Content Idee für den Onlineshop in dem ich damals als Online Marketing Managerin arbeitete. Wir waren im Sommer schon auf der Suche nach Themen für die Weihnachtszeit. Und ich suchte irgendwas simples, einfach zu nähendes, das aus vielen Stoffen funktioniert und vor allem aus bunt bedruckten Baumwollstoffen, die wir gerade inhouse begonnen hatten zu designen. Außerdem hatte stoffe.de damals gerade amerikanische Quiltstoff-Designer ins Sortiment aufgenommen, Kaffe Fassett und einige andere. Die machten so schöne Musterstoffe und weil ich ja selbst eine Pfennigfuchserin bin, wusste ich, dass Stoffenthusiast:innen sich manchmal von so einem Streichelstoff nur einen halben Meter gönnen können. Doch was aus dem halben Meter nähen?

Da kommt der Leseknochen ins Spiel.

Ich entdeckte ihn bei was eigenes auf dem Blog. Denn Sabine hatte die Anleitung von sew4home verlinkt. Der Link bei Sabine funktioniert leider nicht mehr, aber ich konnte auf der sew4home Webseite noch die originale Nähanleitung finden.

Bei sew4home nannte sich das ganze „therapeutic neck pillow“, also „Nackenkissen mit therapeutischer Wirkung“. Das klingt natürlich nicht so catchy wie der deutsche Begriff, der sich gerade in dem Jahr in der Nähszene gefunden hatte – Leseknochen.

Behind the scenes eines Content Shootings 2013

Als ich diese Nähanleitung gefunden hatte, wusste ich zwar, dass die Potential hat, aber wie groß das Potential war, das habe ich damals auch nicht gedacht. Wir produzierten die Nähanleitung an einem Nachmittag in der Cafeteria vom Büro. Dort produzierten wir immer die Nähanleitungen in einem provisorisch aufgebauten kleinen „Studio“. 2013 war zwar schon klar, dass zusätzliche kreative Inhalte für den Verkauf von Stoffen ein echter Gamechanger sein können, aber die Büroflächen waren nicht dafür ausgelegt dort wirklich viel ansprechenden Content zu kreieren. Heute „dürfen“ die Content Creators, die bei dem Unternehmen arbeiten, ihren Content im eigenen Wohnzimmer drehen. Das wollte ich schon damals nicht. Ich träumte davon ein Studio in einem der Büroräume einzurichten, doch leider wurde der Wunsch nie erfüllt. Aber ja, halt nicht jeder in der Firma erkannte damals Potential.

Die Nähanleitung war aber auch mit den Mitteln, die wir zur Verfügung hatten, gut zu produzieren. Easy does it. Und so spielten wir 2013 das erste Mal in unserer Kommunikation das Thema Leseknochen Nähen. Und im drauffolgenden Jahr, als wir ein Thema mit Reichweite suchten, wieder. Und 2015, 2016 – jedes Jahr wieder. Mal zu einem anderen Anlass, mal zum Muttertag, mal als generelle Idee für Nähanfänger, aber immer wieder dieselbe Anleitung.

https://trends.google.de/trends/explore?date=all&geo=DE&q=leseknochen%20n%C3%A4hen&hl=de

Learnings im Berufsleben

Was 2017 geschah, weiß ich nicht. Denn da wollte ich eigentlich als neuen Traffic Treiber das Thema „Schultüten nähen“ in der Kommunikation starten. Mein Konzept stand auch und das Potential hatte unser neuer Suchmaschinen-Marketing-Manager ebenfalls bestätigen können. Mein Konzept wurde dann aber nicht durch mich produziert. Denn es gab andere Menschen, die sich weigerten das dafür notwendige Schnittmuster zu produzieren.

Ja, so kündigte ich erst innerlich und vier Wochen später äußerlich. Produzierte noch die von mir meist gehasste Nähanleitung für eine Monster-Eis-Schultüte. Den Trend dazu habt ihr nicht mitbekommen? Ich auch nicht, gab ja auch kein Suchvolumen dafür. Aber Menschen, die mich dazu brachten auf der Arbeit Stunk zu machen – das erste Mal, dass ich von meiner Vorgesetzten zu einem Gespräch wegen meines Verhaltens zur Seite genommen wurde. Mir lag damals die Firma so am Herzen, dass ich nicht verstehen konnte, wie man solch eine Content Möglichkeit verschwenden kann. Naja, daraus habe ich gelernt, es ist nicht sinnvoll, wenn man dem Arbeitgeber mehr Platz im Herzen gibt, als die Firma einem an Raum gibt.

Vom Content Manager zum content Manager

Für mich war das 2017 ein großes Learning. Dass ich dann zwei Jahre nochmal etwas Großes aufbaute und leider vom Arbeitgeber nicht informiert wurde, dass ich auch nur für zwei Jahre bei ihm eingeplant bin, das ist nochmal eine andere Geschichte. Und ja, auch dass mir die Arbeitsatmosphäre in dem Inhaber-geführten Unternehmen so zusetzte, dass ich versuchte mit Therapie dagegen anzuwirken, nur um zu merken, dass manche Therapeutinnen auch einfach sehr gern mit Dating-Geschichten von jungen aktiven Frauen unterhalten werden… Das war alles nicht so schön, aber als der Spuk durch eine Arbeitgeber seitige Kündigung im Herbst 2019 ein Ende fand, da fand ich auch mich wieder.

Denn nun wusste ich genau, was ich nicht mehr wollte. Und, wenn man etwas ausschließen kann, dann hat man wieder Möglichkeiten in andere Richtungen zu gucken und sich zu überlegen, was einem wirklich wichtig ist.

Gut, vielleicht ist das Motto „Nicht mehr vom Arbeitgeber ausnutzen lassen“ jetzt nicht so der Leitspruch, den ich jeder:m empfehle. Aber mir brachte es ein Umdenken. Und mir wurde auch wieder bewusst, wie wichtig mir Zeit ist. Zeit ist das einzige, was endlich ist. Und ja, auch die schönste Arbeitsatmosphäre ist immer noch die Atmosphäre auf der Arbeit. Die immer einen sehr großen Anteil im Leben haben wird. Aber wenn man es schafft den Anteil so zu steuern, dass man auch die Energie hat, seine Freizeit zu genießen und soziale Kontakte zu pflegen, so ist die Zeit die man damit verbringt doch so viel sinnvoller besetzt und damit auch für das eigene Leben wertvoller.

Tine Sews – immer noch mit vollem Herzen

Mir war klar, dass ich nicht mit einer 5 h work week auskommen werde. Ideen für Selbstständigkeiten habe ich selbstverständlich ständig. Aber ich weiß auch, dass ich eine Sicherheit durch ein geregeltes Einkommen, geregelte Arbeitszeiten und bezahlten Urlaub brauche, um mich wirklich sicher und glücklich zu fühlen.

Darum wird dieser Blog auch weiterhin mein Hobby bleiben und ich habe keinen Anspruch ihn groß zu kommerzialisieren. Aber ich mag es weiterhin zu texten und habe dieses Jahr sogar etwas Gefallen daran gefunden mit talentierten Freunden auch fotografischen Content zu gestalten. Und ja, tatsächlich agiere ich auch etwas im Hintergrund bei meinem ehemaligen Arbeitgeber.

Denn eine sehr liebe Freundin, die ich noch aus Schulzeiten von einem völlig anderem gemeinsamem Hobby kenne, die ist dort inzwischen Führungskraft. Und so gebe ich immer mal einen Stups, wenn mir Dinge in den Sinn kommen, die man leicht optimieren kann und die einen positiven Efekt auf die Umsätze haben können. Denn, wie in jedem Investoren-getriebenen Unternehmen, zählen auch in der Kreativbranche am Ende nur die Zahlen. Und ja, auch wenn mir das Unternehmen nicht nur schöne Gefühle gebracht hat, so sind die Menschen die dort arbeiten und die Kund:innen, die in alle Welt verstreut sind, doch das wahre Gut, das es zu bewahren gilt.

Zurück zum Leseknochen. Denn um den soll es doch eigentlich hier gehen. Nicht um meine Ego-Geschichte. Wobei, der Blog heißt ja Tine Sews, was eine Art Künstlername von mir ist, also darf ich ja auch sicherlich so richtig schön egozentrisch hier um mich kreisen.

Tatsächlich habe ich erst 2020 den ersten Leseknochen für mich genäht. Und bislang noch keinen Leseknochen zum Verschenken genäht. Ich weiß aber, dass es viele Menschen gibt, die von lieben Freund:innen solche Leseknochen bekommen. Das macht mich schon ziemlich happy. Lustig war es, als ich zum ersten Mal in einer Buchhandlung war und dort im Regal dann auch Leseknochen lagen. Leider aus recht günstigem Polyesterstoff, aber irgendwie musste ich doch lächeln und an die Nähanleitung denken.

Keine Wahl ist für die Ewigkeit

Mittlerweile arbeite ich seit zweieinhalb Jahren in einer Position an die ich früher nie gedacht habe. Meine Überlegungen während des Studiums, was ich denn nach dem Abschluss arbeiten möchte, waren immer sehr engstirnig. Tatsächlich aber gibt es seit meinem Studium einen Begriff, der über allem schwebt, und das ist das „Management“. In jeder meiner Positionen kam das Managen von unterschiedlichen Themen vor. Im ersten Job habe ich direkt das Hobby zum Beruf gemacht. Das war eine Weile ganz schön. Aber, wenn das Hobby auch der Beruf ist, dann schaltet man eigentlich nie davon ab. Was sicherlich als Selbstständige:r erfüllend sein kann. Aber als Angestellte:r fand ich es nach ein paar Jahren dann doch anstrengend und vor allem belastend, weil ich so leidenschaftlich für das Hobby brannte, aber das Feuer in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung verloderte.

Inzwischen habe ich wieder Hobbies und sogar inzwischen noch mehr Hobbies, als zu der Zeit, wo das eine Hobby auch der Brotjob war. Tatsächlich merke ich sogar, dass ich nicht mehr so fixiert auf diese eine Beschäftigung bin. In diesem Jahr 2025 habe ich bislang sehr selten genäht. Oft nur zu meinen gemeinschaftlichen Näh-Samstagen oder an einem langen Wochenende, wenn ich mit Nähfreundinnen gemeinsam zum Nähen verreise.

Ich merke, dass ich weniger Zeit zum Kreativsein habe, dafür aber ganz viele andere Leidenschaften auslebe und Bedürfnisse erfülle. Zu Beginn meiner Berufslaufbahn hatte ich gedacht, dass die erste Wahl direkt der große Treffer war. Ich dachte, ich würde nie wieder woanders arbeiten. Inzwischen bin ich da gelassener, aber auch anspruchsvoller. Meine Ansprüche sind mir mittlerweile sehr bewusst und ich erlaube es mir diese auch zu äußern.

Was das Altern doch an positiver Verwandlung bringt!


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